Meditationen 1980

WALTER OSCAR GROB, 1920-2000






















Erinnerungen an Walter Oscar Grob

 
Erste Begegnung

Als ich mit vierzehn Jahren zum ersten Mal die Freie Kunstschule besuchte, begeisterte mich zuallererst die Atmosphäre in Walter Grobs Atelier. Vollgestopft mit Malutensilien, die Wände mit Reiseandenken, Bildern und Zeichnungen geschmückt, ein intensiver Duft nach Farbe und Lack in der Luft, entsprach die grosse Mansarde an der Bederstrasse genau dem Bild, das die Künstlerbiografien aus der Schulbibliothek vermittelten. Bald schon beeindruckte mich die Ernsthaftigkeit, mit der Walter Grob seinen Studien nachging. Seine ersten Bücher waren damals fast ausschliesslich handgefertigte Einzelstücke, deren Entstehung wir Mittwochnachmittag-Schüler vom Entwurf bis zum Druck mitverfolgen konnten.
 

Mal-Rhythmus
Während der Schulsemester malte Walter Grob wenig, sondern überlegte sich mit Hilfe von Skizzen, was er in den Sommerferien zu Bilde bringen wollte. Jeweils im Juli reiste er an einen Ort mit spezieller Ausstrahlung, um dann konzentriert etwa sechs grosse Bilder und viele Tuschezeichnungen zu malen. Auf seine neuen Werke war ich immer sehr gespannt, da sie wenig denen des Vorjahres glichen, sondern den künstlerischen Fortschritt des aktuellen Jahres festhielten.
 

Aktzeichnen
Als pubertierender Jugendlicher hätte ich damals gerne den Kurs "Aktzeichnen" besucht, was mir Herr Grob allerdings mit Hinweis auf mein zartes Alter verwehrte. So musste ich mich weiterhin mit den fertigen Zeichnungen der älteren Schüler begnügen, die jeweils nach deren Kurs die Wände zierten.
 

Studienreisen
Unvergesslich bleiben die Studienreisen nach Rom und Venedig. Von frühmorgens bis spätabends führte uns Walter Grob durch unzählige Kirchen und Museen, von denen einige nur für unsere Gruppe die Türen öffneten. Wenn zwischendurch mal eine Reservation nicht klappte, konnte sich der Künstler sehr schweizerisch aufregen; ebenso missbilligte er, wenn in der südlichen Wärme jemand ein Gelato der x-ten Kirchenbesichtigung vorzog. Ich glaube nicht, dass so eine geballte Ladung Kunstunterricht heute noch irgendwo zu buchen ist.
 

Selbstbewusstsein
Erst als Erwachsener konnte ich mir Bilder von Walter Oscar Grob leisten; sein ausgeprägtes Selbstbewusstsein verbot es ihm, seine Werke unter dem Wert zu verkaufen, den er selber für angemessen hielt; da verzichtete er lieber. Der teure Kauf hat sich trotzdem gelohnt; Grobs Bilder sind Meisterwerke.
 

Vision
Schon über siebzig Jahre alt, kaufte sich Walter Grob einen Personal Computer. Sein Traum war, die Durchschauende Kunstuntersuchung als Software-Programm anzubieten. Er wusste, dass die  Methode sich nur durchsetzen konnte, wenn die Knochenarbeit, das mühselige Analysieren aller Bildelemente, von einer Maschine erledigt würde und der Mensch sich auf die Würdigung der Ergebnisse konzentrierte. In den 90er-Jahren musste dieser Traum aus hardware- und software-technischen Gründen noch ein Traum bleiben; erst heute ist das Vorhaben in den Bereich des Möglichen gerückt, der Schöpfer der Durchschauenden Kunstuntersuchung allerdings tot.
 

Melancholie
Nach der gemeinsamen Beschäftigung mit dem Computer lud mich Walter Grob manchmal ein, sein Spezial-Birchermüesli mit ihm zu teilen. Es waren schöne, ruhige Momente, in denen er von seinen Projekten erzählte und auch von den Sorgen, die ihm der Schülerschwund und das geringer gewordene Interesse an seinen Veranstaltungen machten. Zur Aufmunterung lud ich ihn einmal in ein chinesisches Restaurant ein, wo er mich fragte: "Warum machen Sie das?"

Walter Oscar Grobs Bilder zeigen allerdings keine Spur von Schwermut oder Resignation, sondern strahlen die Zuversicht derer aus, die ihn stark beeinflusst hatten: Kunstmaler Ernst Wehrli und die Philosophen R.M. Holzapfel und Jean Gebser.
 

Tod
Im August 2000 erfuhren wir, dass Walter Oscar Grob in den Fluten des griechischen Mittelmeers ertrunken war. Sämtliche Habseligkeiten inkl. Kleingeld im Portemonnaie wurden in der Folge aus Griechenland in die Schweiz zurückgeschickt. Seine dort gemalten Bilder allerdings – der Zweck der Reise – sind bis heute verschollen geblieben.

 

Werner Krapf, Verein Walter Oscar Grob, Dezember 2008

 

   
   



©
Dr. Marblum Berg Wehrli